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Das heutige Steuerrecht wird an seine Grenzen stoßen

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Haben ein Steuerbürger und ein Steueranwalt eine gemeinsame Idee, kann daraus schnell mal ein langjähriger Gang durch die Instanzen der Finanzgerichte werden. Ob das die Absicht des Berliner Ladenlokaleigentümers war, der im Jahr 2008 seinen Grundsteuerbescheid ignorieren wollte, in der Annahme, die Steuer sei verfassungswidrig?

Jedenfalls ging die Sache bis zum Bundesfinanzhof (BFH) und landete schließlich sogar beim Bundesverfassungsgericht.

Der Einheitswert und die Bundesregierung

Die Richter in Karlsruhe haben nun in einer Anhörung durchblicken lassen, dass sie – wie schon die klagenden Steuerbürger und auch der BFH – die Grundsteuer für unvereinbar mit dem Grundgesetz halten.

Auch das Bundesverfassungsgericht nimmt dabei Anstoß an der Heranziehung der zuletzt 1964 (beziehungsweise 1935 in den alten Bundesländern) ermittelten Einheitswerte als eines wesentlichen Faktors bei der Steuerbemessung. Dass dieser Ansatz vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Dynamik der Immobilienmärkte in den letzten Jahrzehnten nicht zu gerechten Ergebnissen führt, ist eigentlich allen klar.

Allein die Bundesregierung kann offenbar die Aufregung nicht verstehen und verweist darauf, dass doch alle Betroffenen ganz gut mit der jetzigen Grundsteuer leben könnten, was sich schließlich auch in der geringen Anzahl von Einsprüchen gegen Grundsteuerbescheide zeige.

Steuerausfälle in Milliardenhöhe und unbezahlbares Wohnen?

Warten wir also erst mal ab, was das Bundesverfassungsgericht sagt … Nach dem Motto agiert man in Berlin seit vielen Jahren in der Steuerpolitik. Bei der Erbschaftsteuer ist man schließlich mit dieser Strategie bisher stets glimpflich davongekommen.

Diesmal könnte es jedoch tatsächlich anders kommen. Wird die Grundsteuer vom Bundesverfassungsgericht durch das kommende Urteil gekippt, drohen Städten und Gemeinden kaum zu kompensierende Einbußen auf der Einnahmenseite. Bei der Gelegenheit sei darauf hingewiesen, dass dieser Zustand mindestens seit 2009 besteht – mit welchen Folgen eigentlich für die danach ergangenen Steuerbescheide?

Die Verlierer der Zukunft könnten dann die Immobilieneigentümer und Mieter sein. Die Medien skizzieren bereits Szenarien von Eigenheimnotverkäufen und obdachlosen Großstadtfamilien. Interessenvertreter sprechen von um mehrere Tausend Prozent steigenden Berechnungswerten. Nichts von dem wird eintreten. Es geht in der rechtlichen Auseinandersetzung nämlich nicht um das niedrige Niveau der Grundsteuer an sich, sondern zunächst um gerechte Verhältnisse zwischen den Steuerpflichtigen.

Neue Bewertung – neue Chancen

Schafft es der Gesetzgeber tatsächlich, für die Steuererhebung ein gerechtes Bewertungsmodell für Immobilien zu normieren, eröffnen sich dadurch weitere Möglichkeiten. Eine so geschaffene Datengrundlage könnte zum Beispiel die Erhebung der Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer vereinfachen.

Auch die Einführung einer Vermögensteuer – so denn politisch gewollt – würde erleichtert. Vielleicht könnte damit sogar die längst überfällige Reform des landwirtschaftlichen Erbrechts angestoßen werden. Bis heute werden weichende Erben bei der Übertragung eines Hofes noch auf der Basis des uralten Einheitswertes abgespeist.

Ein Steuerkonzept für Immobilien

Vermittelbar sollte doch in jedem Fall eine neue Berechnung der Grundsteuer sein, die im Ergebnis dazu führt, dass das jetzige Gesamtaufkommen von ca. 14 Mrd. Euro aufrechterhalten bleibt. Das schafft man auch mit einer an die aktuellen Verkehrswerte angepasste Bewertungsmethode, wenn man entsprechend an den weiteren Stellschrauben – den Steuermesszahlen und den Hebesätzen – dreht.

Ein verantwortungsvoller Gesetzgeber würde vermutlich sogar noch weiter denken. Er würde die ganze Besteuerung von Immobilien auf den Prüfstand stellen. Wie wäre es unter anderem mit folgenden Fragen:

· Warum nimmt der deutsche Steuerzahler die Besteuerung seiner Arbeit als Naturgesetz hin und wehrt sich gleichzeitig gegen jede Form einer nennenswerten Besteuerung der Vermögenssubstanz?

· Warum zahlt eine Familie beim Erwerb einer Wohnimmobilie Grunderwerbsteuer, während große Investoren durch Gestaltung (Share Deal) die Möglichkeit eines steuerfreien Erwerbs nutzen können?

· Warum kann bei vermieteten Immobilien in Privatbesitz auch ein noch so großer Wertzuwachs nach Ablauf von zehn Jahren komplett steuerfrei durch Verkauf realisiert werden?

· Warum können millionenschwere Anwesen zwischen Ehegatten zu Lebzeiten schenkungsteuerfrei hin- und hergeschoben werden?

Das heutige Steuerrecht wird durch die aktuellen technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen an seine Grenzen stoßen. Die Parameter Löhne, Unternehmensgewinne und Vermögen verschieben sich immer weiter. Gleichzeitig waren die Rufe nach mehr oder weniger Steuern selten so leise wie derzeit.

Sollte es irgendwann eine neue Bundesregierung geben, könnte sie die anstehende Grundsteuerreform ausgezeichnet für einen Umbau des Steuersystems nutzen – auch wenn es ihr wohl kaum jemand zutraut …

 

Quelle: WeltN24

 

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von factum
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